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Im Interview mit Labelchef Frank Maier

Frank Maier aus Friedrichshafen hat sein Hobby zum Beruf gemacht: der leidenschaftliche Sam mler rarer Independent-Platten, bevorzugt Material aus den späten 70er- und frühen 80er-Jahren, gründete Vinyl on Demand, um verschollene Aufnahmen auch einem breiteren Publikum wieder zugänglich zu machen. In kleiner Auflage, luxuriös-liebevoller Ausstattung und in schwerem Vinyl – auch von superraren Sachen, die nur als Tape existierten. Die erste VoD-Veröffentlichung war eine 6-LP-Box der Tödlichen Doris, rasch folgten weitere, und sehr bald wurden nicht nur Schallplattennerds, sondern auch die Presse auf Frank Maiers Idee aufmerksam. Mittlerweile erfreut sich Vinyl on Demand immer größerer Beliebtheit und Maier versichert, noch Tonnen an Material im Keller zu haben, so daß die Versorgung für die nächsten Jahre gesichert ist. Man kann "Member" bei VoD werden und so das Programm mitgestalten. Tolle und wichtige Sache, das – hier ein paar Fragen an Frank Maier:

Erzähl doch bitte ein bisschen was zur VoD-History: seit wann, mit wem, warum machst du das? Was war die erste VoD-VÖ?

Ich sammle seit ca. 25 Jahren Tonträger. Vor ca. 10 Jahren fand ich die Vorliebe für Tapes, als ich beim Durchspulen der Tapes gemerkt habe, daß sich immer wieder fantastisches Material untergemischt hatte, was entweder keiner mehr wirklich kannte oder nie auf Vinyl bis dato veröffentlicht wurde. Da kam wohl der "Missionar" in mir durch, denn ich wollte diese Sachen den Liebhabern zugänglich machen. Im Sommer 2004 habe ich dann den Entschluss gemacht, meine Karriere und meine Laufbahn in eine andere Richtung zu lenken. Ausschlaggebende Gründe waren weiterhin, dass ich in den letzten Jahren zunehmend frustriert und enttäuscht über den qualitativen und innovativen Output der Musikindustrie wurde und hatte das Gefühl, dass nicht mehr viel Neues und Innovatives auf den Markt kommt. Vieles hörte sich an, als wäre es schon mal da gewesen oder schlichtweg einfach nur auf ganz schlechtem Niveau gecovert. Das musikalische Spektrum und Repertoire inklusive der Instrumente für neue innovative Konzepte scheint auch langsam erschöpft zu sein. Auch wird es immer schwieriger, gute Veröffentlichungen in diesem Überangebot von Musiklabels herauszufiltern. Dieser Informationoverload gepaart mit dem Wunsch nach guter Musik war meine große Motivation zur Labelgründung. Für mich persönlich ist die End70er/Anfang 80er Independent-Musik ein Schmelztiegel von vielen kreativen und wegweisenden musikalischen Stilrichtungen und Bands. Aus diesem Repertoire will ich auch weiterhin schöpfen. Meine erste Veröffentlichung war eine 6-LP-Box der Tödlichen Doris mit dem Gesamtwerk der 6 ersten Kassetten, die es entweder auf dem Berliner Cassettencombinat-Label gab oder im Eigenvertrieb bei der Tödlichen Doris. Wolfgang Müller von der Tödlichen Doris hatte ich über meinen Freund "Graf Haufen" in Berlin kennen gelernt. Wolfgang war von dieser Idee begeistert und so stand einer Veröffentlichung und einer fruchtenden langfristig angelegten Kooperation nichts mehr im Wege.

Wie arbeitest Du - kümmerst Du Dich um alles allein oder hast Du Helferlein?

Ich arbeite mit einem Netzwerk an Helfern. Es gibt ein Master-Recording-Studio, das mir die Sachen aufbereitet, es gibt zwei Designer, die mit den Künstlern die Coverdesigns erstellen. Die Mitglieder in meinem Club geben mir auch oft nützliche Kontakte zu anderen Künstlern, die für mein Label in Frage kommen. Alleine könnte ich das nicht schaffen, denn mein Anspruch an Gestaltung/Design und Qualität ist so hoch, daß dies nur durch Profis zu erledigen ist. Ich arbeite deswegen auch bei den Vinyl- und Coverpressungen mit großen deutschen Unternehmen, um auch sofort auf Änderungswünsche eingehen zu können.

Gab/gibt es Copyright-Schwierigkeiten? Konntest Du mal eine Platte nicht machen, weil Du die Rechte nicht bekommen hast?

Das Copyright und die Freigabe der Künstler sowie Verlagsrechte muß immer 100%ig abgesegnet sein, sonst gibt e s k ein Release. Es gibt natürlich auch Sachen, die ich wahnsinnig gerne gemacht hätte, aber wo es einfach nicht möglich ist, weil die Künstler es nicht wollen und mit der Vergangenheit abgeschlossen haben. Es gibt auch Künstler, die das Medium Vinyl und meine Labelphilosophie nicht verstehen, aber das ist nicht so schlimm, denn es gibt ja so viel gutes Material, was es noch zu veröffentlichen gilt.

Stichwort Tödliche Doris - stehst Du in Kontakt mit Martin Schmitz oder hat der mit den Platten nichts zu tun?

Ich stehe in Kontakt zu Martin Schmitz Verlag und manche Veröffentlichungen wie die geplante Festival Genialer Dilletanten-Box mit der Tödlichen Doris, Butzmann, Neubauten, Sprung aus den Wolken wird in Kooperation und unter Ausschöpfung größtmöglicher Synergien produziert. So wird bei Martin Schmitz im August das zweite Buch von Wolfgang Müller zu den Genialen Dilletanten erscheinen, welches parallel bei mir in der 3-LP-DVD/CD-Box erscheint.

Wer sucht die Veröffentlichungen aus - Du? Oder bekommst Du viele Anfragen von Fans oder gar den Bands selber?

Wie oben schon erwähnt beruht das Konzept von Vinyl-on-Demand auf demokratischer Entscheidungsbasis. Am Ende des Jahres geht eine Rundmail an meine Mitglieder und ich stelle ihnen ca. 20 Veröffentlichungen zur Auswahl. Veröffentlichungen, die entweder durch meine Künstlerrecherche und meinen Kontakt entstanden sind oder die auf einen Tip und einen Kontakt eines Mitglieds entstanden sind. Band s k ommen auch auf mich zu, auch viele neue Bands. Deswegen will ich in der Zukunft auch zweigleisig fahren und auf meinem Sublabel Pripuzzi-Rec. mit neuen, innovativen Projekten ab Sommer anfangen.

Ist VoD in erster Linie für Dich selber gedacht? Oder ist Dein wichtigstes Anliegen, verschollene Raritäten einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

Ganz klar das letztere. Es ist mir wichtig, daß die Leute von der Musik erfahren, bevor die Tapes oder Originalbänder entweder kaputt gehen oder in der Versenkung verschwinden. Ich bin hier die Plattform der Transformation von Tape auf Vinyl. VOD ist in zweiter Linie für mich gemacht, denn ich habe mein krankhaftes Raritätensammeln etwas besser in den Griff bekommen, da es jetzt nicht mehr so wichtig ist, das Originaltape durch teuren Kauf zu bekommen, sondern es so aufzubereiten, daß es preisgünstig einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt werden kann.

Wie wird man auf VoD aufmerksam, wenn man kein Vinyl-Nerd ist?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, denn das Thema scheint sehr viel Presse auf sich zu ziehen. Egal, ob renommierte Tageszeitungen, Musikzeitschriften, Lifestyle-magazine, Radiostationen und Internetportale, von allen Seiten kommen Anfragen zu meinem Konzept und dem Label. Ich denke, es geht hierbei auch sehr viel um die Philosophy und des Warum und Wie.

Ist Dein Konzept mit Books on Demand vergleichbar? BoD bedeutet, dass vom betreffenden Buch nur die gewünschten Exemplare gedruckt werden, also zur Not auch nur eins. Ist das bei VoD auch möglich?

Genau das ist der ursprüngliche Gedanke und der Namensgeber für mein Label. Die Idee ist sehr einfach. Es gibt sehr viele gute Tapes, die aber in dieser Nische in einer 500er Auflage nie die Produktionskosten einspielen könnten, da sie nur ein sehr spezielles Publikum erreichen. Ich biete jedoch den Service an, sich on Demand eine Vinylplatte von einem Tape schneiden zu lassen, wenn ich dieses im Programm habe und vom Künstler hierfür die Erlaubnis bekommen habe. Die Produktion ist recht teuer und nur etwas für wahre Sam mler, die seit ewigen Zeiten ein bestimmtes Tape einer Band suchen, es nicht bekommen und sich dann bei Vinyl on Demand ein Exemplar besorgen können. Je mehr ich von den Künstlern die Freigabe bekomme, um so mehr kann ich so anbieten und da haben wir das eigentliche Vinyl On Demand!

Ist es möglich, dass die Schätze irgendwann erschöpft sind; also dass Du nichts veröffentlichungswürdiges mehr findest?

Das bezweifle ich auf Grund der Summe des Materials auf internationaler Ebene. Ich archiviere ja seit Jahren in einer Datenbank alle Tonträger aus dem Bereich Indie/Punk/Wave/Industrial/Minimal Electronics/Avantgarde. Bin mittlerweile bei 100.000 Einträgen, allein Tapes gibt es schon mehr als 5000. Dieselbe Anzahl wird es auch noch an unveröffentlichtem Material geben. Wenn nur jede hundertste davon gut ist, kann ich mindestens 1000 gute, solide Veröffentlichungen auf Vinyl-on-Demand machen, bei einer monatlichen Veröffentlichung reicht das mein ganzes Leben.

Siehst Du Dich als eine Art Archivar der Avantgarde-Musik?

Definitiv ja. Das Archivieren und Sam meln hat mich schon immer interessiert, deswegen auch das Hobby mit www.record-price-guide.org, dem oben erwähnten Portal als Datenbank der Independent-Musik. Seit Jahren plane ich ja auch die Veröffentlichung eines Independent-Almanachs und habe deswegen auch schon 20.000 Bilderscans von Covern gemacht. Es ist jedoch aus rechtlichen Gründen kompliziert, einen Almanach mit Bildern zu veröffentlichen, aber ohne Bilder ist es nicht so schön. Deswegen dauert es halt länger. Es werden ja auch Rezensionen mit aufgenommen aus alten Zeitschriften, auch hier muss jeder Rezensionsschreiber und jeder Verlag um die Freigabe gebeten werden. Das ist eine langwierige Angelegenheit. Aber irgendwann in meinem Leben werde ich es noch schaffen :-)

VoD könnte auch bedeuten, generell kleinauflagige VÖ zu produzieren - also auch Neuheiten. Käme das für Dich in Frage oder beschränkst du dich auf das Heben alter Schätze?

Das tue ich ja schon, in dem ich den Dienst Vinyl-on-Demand anbiete. 500er Auflagen sind ja eigentlich Kleinstauflagen und mit den individuellen VoDs, die auf Bedarf geschnitten werden, ja erst recht. Neuheiten werde ich ja mit meinem Pripuzzi-Label ab den Herbst produzieren. Für die individuellen VoD s k ommt das aber nicht in Frage. Wenn ich Anfragen von Künstlern bekomme, die eine Kleinstauflage von 30 bis 50 Kopien wollen, leite ich sie direkt an den Vinylschneider weiter.

Vielen Dank für die Antworten!

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